Otto Theodor Wilhelm Stein (1877-1958) war Gründungsmitglied des RC Chemnitz 1929 und Mitglied bis 1934; 1931/32 war er Beisitzer im Vorstand.

Der Sohn eines deutsch-jüdischen Hopfenhändlers aus Nordböhmen/Österreich absolvierte nach einer unsteten, rebellischen Schulzeit eine Lehre und wurde 1895/96 aufgrund seiner Sprachbegabung Fremdsprachenkorrespondent des Im- und Exporthaus E. Strasser in Triest, für das er 1898 die Geschäftsführung der Filiale in Neapel übernahm. Ab 1900 besuchte er private Kunstschulen in München, Wien und Karlsruhe. Nach dem Tode seines Vaters (1901) trat er 1902 vom mosaischen zum evangelischen Glauben über und ergänzte seinen Vornamen Otto, indem er sich Otto Theodor Wolfgang taufen ließ. 1903 heiratete er die aus Wien stammende Helene Däubler, die Schwester seines besten Freundes, des Dichters Theodor Däubler.

Nach einer Reise nach Paris ließ er sich ab 1903 in Prag nieder, der Stadt seiner Kindheit. Ab 1906 lebte und arbeitete er in Karlsruhe und Dresden, 1910 in Paris und seit 1910/11 wieder in München, wo er sich mit Künstlern vernetzte, einen Künstlerbund initiierte und in den Ausstellungen der Neuen Münchener Sezession vertreten war. Nach seinem Kriegsdienst als Übersetzer ging er von 1919 bis 1923 nach Berlin, wo er – auf seinen ersten Erfolgen als Maler in München aufbauend – allmählich bekannter wurde, freilich nicht in der ersten Reihe der Künstler stand. Vermutlich angeregt von seiner größten Sammler, der vermögenden Strumpf- und Handschuhfabrikanten Leder, die dort ihre Fabrik hatten, wechselte er etwa 1924 nach Chemnitz.

Bald war er eng in der Chemnitzer Gesellschaft vernetzt, gewann neue Sammler, namentlich den Strumpffabrikanten Arthur Sußmann, der später auch einer seiner rotarischen Freunde war. An seinem 50. Geburtstag (1927) schien er auf dem Höhepunkt seiner Anerkennung, er war neu verliebt und nannte diese Jahre rückblickend die „glücklichste Zeit“ seines Lebens. Es lag nahe, dass er im Herbst 1929 eingeladen war, bei der Gründung des Chemnitzer Clubs mitzuwirken. 1931/32 war er Beisitzer im Vorstand, er hielt Vorträge über „Intuition“ sowie über Tilman Riemenschneider und besuchte auf Reisen auch durchaus andere Clubs (u.a. Görlitz, Zwickau-Glauchau, Plauen und Kopenhagen). Zu seinen engeren Clubfreunden und teilweise auch Liebhabern seiner Kunst gehörten neben Sußmann der Direktor der Städtischen Kunstsammlung Friedrich Schreiber-Weigand, der Papiergroßhändler Hans Stickel, Oberbürgermeister Walter Arlat, der Bankier Carl Heumann, der Garnhändler Arthur Kaiser, der Kreishauptmann von Chemnitz, Hugo Grille, ehrenamtlicher Vorsitzender des Kunstvereins Meißen, der Fabrikant Friedrich Emil Krauß, sowie insbesondere der Großgrundbesitzer Fürst Günther von Schönburg-Waldenburg.

Nach der „Machtergreifung“ änderte sich alles für Stein. Befreundet mit Christian Siemens, einem ehemaligen Textilunternehmer und anti-nationalsozialistischem Schriftsteller, hatte er vermutlich diesen vor der Verfolgung zu schützen versucht und wurde im März 1933 selbst verhaftet. Danach kam er auf Veranlassung eines befreundeten Arztes zu seinem eigenen Schutz für drei Wochen in eine Nervenheilanstalt. Er verlor sein Atelier, nutzte unterschiedliche Ausweichlösungen und zog – inzwischen verschuldet – 1935 nach Prag. Er litt zunehmend unter einer Thromboseerkrankung, flüchtete in seine Malerei, konnte aber nur noch wenige Bilder verkaufen. Sein weiteres Leben war von der Furcht geprägt, seine jüdische Herkunft könnte von den Nationalsozialisten entdeckt werden. 1937 besuchte er Florenz und auf dessen Einladung Sußmann bei Cannes. Dessen Angebot, bei ihm zu wohnen, schlug er aus und weder sein nach Griechenland geflüchteter Sohn noch seine in Südafrika lebende Nichte konnten ihn zur Emigration bewegen.

Stein rechnete ab 1941 mit seiner Deportation und wurde tatsächlich im Juli 1942 in das Lager Theresienstadt deportiert. Dort traf er auf den Philosophieprofessor und Hallenser Rotarier Emil Utitz, der die Lagerbibliothek leitete. Er malte insgeheim auch im Lager, überlebte mit Glück auch eine Flecktyphusepidemie und wurde im Mai 1945 befreit.

Bis 1951 lebte er, körperlich geschwächt, teils depressiv und unter seiner Krankheit leidend, in Prag. Er nahm Kontakt zu seinem inzwischen in England lebenden Sohn und zu Sußmann auf, der inzwischen in New York lebte, konnte sich aber nicht zur Auswanderung entschließen. Schreiber-Weigand plante 1947 in Chemnitz eine Ausstellung zu seinem 70. Geburtstag, die aus politischen Gründen jedoch nicht realisiert wurde. Seinen Lebensabend verbrachte Stein in bescheidensten Verhältnissen im ländlichen Friedland/Sudetenland (Tschechoslowakei). 1957 fand aus Anlass seines 80. Geburtstages eine kleine Ausstellung in der Reichenberger Galerie statt und in Chemnitz (inzwischen Karl-Marx-Stadt) wurden einige seiner Bilder in die Dauerausstellung aufgenommen. Im folgenden Jahr verstarb Stein.

© empfohlene Zitierweise: Hermann Schäfer / Oliver Werner, „Otto Theodor Wilhelm Stein“, in: Rotary unter dem Nationalsozialismus. Digitales Gedenkbuch diskriminierter Rotarier [Onlinefassung Stand Juli 2021]; URL: https://memorial-rotary.de/members/2637

Otto Theodor Wolfgang Stein